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Letzte Aktualisierung: 26.05.2012

 

 

Daniel Binswanger (in Das Magazin Nr. 21/2012):

Die Managed-Care-Vorlage wird voraussichtlich Schiffbruch erleiden. Völlig zu Recht. Sie ist ein Schulbuchbeispiel dafür, wie die unheilige Allianz von Interessengruppen und die Überfrachtung eines Gesetzestextes mit explosiven «Details» eine an sich richtige Idee in ihr Gegenteil verkehren. Mittlerweile dürfte der Begriff Managed Care beim Stimmbürger vornehmlich Abwehrreflexe mobilisieren. Die Schweizer Gesundheitspolitik hat ein weiteres Mal versagt.

Zunächst zur richtigen Idee: Dass Versicherte dazu motiviert werden, sich an Ärztenetze zu binden und Zugang zu einem Spezialisten nur noch nach Überweisung durch ihren Hausarzt zu erhalten, ist im Prinzip vernünftig. Die Konzentration der Verantwortung für sämtliche Pflegeleistungen in den Händen eines Hausarztes kann zu besserer Koordination und besserer Qualität der Leistungen beitragen. Es werden nicht nur Doppelspurigkeiten und Mehrfachkonsultationen eliminiert, sondern die Betreuung innerhalb der Netzwerkstruktur führt auch dazu, dass die behandelnden Ärzte zwangsläufig mit den Zweitmeinungen ihrer mitverantwortlichen Kollegen konfrontiert werden. Koordinierte Pflege durch ein vernetztes Team ist sicherlich effizienter als unkoordinierte Einzelinterventionen. Dass sie auch kostengünstiger ist, bildet einen willkommenen Nebeneffekt.

Warum ist die Managed-Care-Vorlage trotzdem zu verwerfen? Das Hauptproblem liegt in der sogenannten Budgetmitverantwortung. Sie soll den Ärztenetzen einen Anreiz geben, kostenbewusst zu funktionieren. Jedes Netzwerk soll von seinen Versicherungsvertragspartnern ein Globalbudget für die Behandlung seiner Patienten zugeschrieben bekommen (angepasst an deren Risikoprofil). Wenn es das Budget überschreitet, muss es einen Teil der Mehrkosten tragen. Wenn es die Ausgabenziele unterschreitet, kann es einen Teil der Ersparnisse einbehalten. Das ist ein klarer Anreiz zur Rationierung der medizinischen Leistungen. Genau das würde auch der Effekt sein: Rationierung.

Die Befürworter von Managed Care bestreiten dies. Gesundheitsminister Alain Berset hat in der NZZ erklärt, es sei nicht zu befürchten, dass Leistungen unverhältnismässig gekürzt werden, denn «eine schlechte Behandlung der Patienten würde nur Kosten verursachen». Man höre und staune: Offenbar haben Leistungserbringer im Gesundheitswesen einen natürlichen Anreiz, die Patienten optimal zu behandeln, weil suboptimale Behandlung zwangsläufig höhere Kosten verursachen würde! Seit Jahrzehnten wird in allen Ländern dieser Welt eine endlose Diskussion darüber geführt, wie verhindert werden kann, dass Krankenkassen und Ärzte Informationsasymmetrien ausnutzen und gegen die Interessen der Versicherten agieren. Jetzt aber belehrt uns Alain Berset eines Besseren: Das Problem existiert offenbar gar nicht.

Auch die Managed-Care-Vorlage wollte ursprünglich verhindern, dass Spezialärzte ihre Autorität missbrauchen und ahnungslosen Kunden Therapien aufschwatzen, die überflüssig sind. Informationsasymmetrie führt im aktuellen System zu Überbetreuung — und die soll unterbunden werden. Bei der potenziellen Kürzung von Pflegeleistungen soll das Informationsgefälle aber plötzlich gar kein Problem mehr sein. Zu Unterbetreuung kann Informationsasymmetrie offenbar nicht führen. Lasst Kassen und Ärzte nur die Gewinne optimieren, dann werden sie ganz von selber die Patienten richtig behandeln.

Sicherlich gibt es Krankheitsbilder, wo Bersets Argument stechen dürfte. Ein budgetverantwortlicher Hausarzt wird einen hohen Blutdruck garantiert therapieren, weil sonst viel höhere Folgekosten drohen. Aber was ist mit der Frage, ob man ein gerissenes Kreuzband operieren muss? Wie wird entschieden, ob man eine steife Schulter mit Physiotherapie zu kurieren versucht — oder dem Patienten ganz einfach mitteilt, dass leider nichts zu machen ist? Nicht alle unterlassenen Therapien generieren Folgekosten für die Kassen. Ihre einzige Konsequenz besteht häufig darin, dass die Lebensqualität der Betroffenen sinkt. Für diese Fälle setzt die Budgetmitverantwortung katastrophale Anreize.

Ärzte sollen die Verantwortung tragen für ihre Patienten — und sonst für nichts. Der Budgetverantwortung muss sich weiterhin die Politik stellen.

dasmagazin.ch

 


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