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«Bern hat eine faszinierende Vielfalt»

Nationalrätin Ursula Wyss will am 13. Februar den Berner Ständeratssitz von Simonetta Sommaruga verteidigen. Im Gespräch erklärt die bestgewählte Nationalrätin aus dem Rot-Grün-Mitte-Lager, weshalb und mit welchen Zielen sie dies tut.
Interview: Stefan Krattiger   

Du machst Politik seit du 16 bist. Warum eigentlich?

Ich wollte meine Zukunft mitgestalten und dies nicht einfach den Wirtschaftslobbys überlassen – so würde ich das jedenfalls aus heutiger Sicht interpretieren. Mich beschäftigte auch die Umweltverschmutzung stark. Schon damals ging es mir aber auch um handfeste Anliegen – etwa, dass zwischen Bern und Thun endlich ein Nachtbus fährt (lacht).

Und warum willst du jetzt Ständerätin werden?

Ich kandidiere, weil es mir Freude bereitet, im Kontakt mit den Menschen und im parteiübergreifenden Austausch nach guten, mehrheitsfähigen Lösungen zu suchen. Und: Die gesamte Kantonsbevölkerung soll durch ihre zwei Ständeratsmitglieder vertreten sein. Wie wir zwei Beine haben, ein rechtes und ein linkes. Das rechte hat der Kanton Bern bereits im Ständerat, das linke muss nach der Wahl von Simonetta in den Bundesrat ersetzt werden.

Wirst du gewählt, bist du nicht nur Volks-, sondern auch Kantonsvertreterin…

Das stimmt – und ich wäre das sehr gerne. «Mein» Kanton Bern fasziniert mich, vor allem seine unglaubliche Vielfalt: Wir haben zwei Landessprachen und zahlreiche verschiedene regionale Kulturen. Bern ist ein ländlich geprägter Kanton, gleichzeitig zeichnet er sich aber mit Biel auch als Industrie- und Dienstleistungsstandort aus, hat eine stolze Hauptstadtregion oder mit dem Oberland eine beliebte Tourismusdestination. Bern und seine Bewohnerinnen und Bewohner sind sehr vielschichtig – und das ist auch gut so.

Sind das denn nicht Widersprüche?

Nein, überhaupt nicht. Ich kenne aus eigener Erfahrung sowohl das Leben in der Stadt als auch auf dem Land. Ich bin in Säriswil und Münsingen aufgewachsen und lebe heute mitten in Bern. Und ich fühle mich dort genauso zu Hause wie auf dem Land. Wer Stadt und Land gegeneinander ausspielt, erweist beiden einen Bärendienst. Die verschiedenen Regionen haben unter dem Strich mehr gemeinsam, als einige meinen.

Du machst also Politik für den ganzen Kanton?

Ja, und zwar nicht bloss regional betrachtet. Die meisten Bernerinnen und Berner sind Mieterinnen und Mieter, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Konsumentinnen und Konsumenten. Für sie setze ich mich ein. Ich kämpfe für bezahlbare Mieten, faire Löhne und vernünftige Preise. Aber auch für angemessene Renten und Krankenkassenprämien, die Familien nicht ruinieren. Der soziale Ausgleich ist ganz wichtig, die Schere zwischen Arm und Reich darf sich nicht noch weiter öffnen. Die langfristige Sicherung und Weiterentwicklung unserer Sozialwerke, aber auch eine gerechte Steuerpolitik sind weitere Anliegen, die mir persönlich sehr am Herzen liegen.

Das ist eine Menge Arbeit – wie lädst du eigentlich deine Batterien wieder auf?

Wenn ich mit meiner Familie und meinen Freundinnen und Freunden Zeit verbringe, kann ich rasch abschalten. Ich bin halt ein Familienmensch. Im Sommer lasse ich mich gerne schwimmend auf der Aare treiben, im Winter fahre ich mit Vergnügen Ski. Oder ich streife durch den Jura, etwa auf der Suche nach Heidelbeeren. Und gerade weil ich mich sehr gerne und oft in der Natur aufhalte, bin ich über die starke Belastung unserer Umwelt und den sich abzeichnenden Klimawandel besorgt.

Genau, wir kennen dich ja auch als engagierte Energie- und Umweltpolitikerin.

Eine gesunde Umwelt, Klimaschutz und eine Energiepolitik, die auf erneuerbare Energien setzt, nehmen in meiner Arbeit einen sehr hohen Stellenwert ein. Und ich fange konsequenterweise auch bei mir an: Ich bin vor allem mit dem öffentlichen Verkehr oder – bei Kurzdistanzen – mit dem Velo unterwegs.

Umwelt und Energie wird auch Mitte Februar ein Thema sein.

Ja, zeitgleich mit dem ersten Wahlgang für die Ständeratsersatzwahl finden auch kantonale Abstimmungen statt. Die Frage, ob in Mühleberg ein neues AKW gebaut werden soll, finde ich sehr wichtig. Statt auch künftig Unsummen in eine gefährliche und veraltete Technologie zu stecken, sollten wir endlich in erneuerbare Energien und mehr Energieeffizienz investieren. Das bringt den Kanton nämlich auch wirtschaftlich voran. Uns bietet sich hier die einmalige Chance, unsere Energieversorgung mit den Interessen der regionalen Wirtschaft zu verknüpfen. Wenn wir auf erneuerbare Energien setzen, erhalten und schaffen wir Arbeitsplätze und fördern unsere kleinen und mittleren Unternehmen.

Ist Ursula Wyss auch eine Wirtschaftspolitikerin?

Genügend Arbeitsplätze gibt es nur, wenn es der Wirtschaft gut geht. Der Werkplatz Schweiz und die vielen KMU sind wichtig. Sie sind das Rückgrat unserer Wirtschaft und schaffen Arbeitsplätze. Damit sie das tun können, sind die Unternehmen auf eine vernünftige Wirtschaftspolitik angewiesen. Die internationale Wirtschaftskrise hat gezeigt, dass nicht zur zu viele, sondern auch zu wenig Regeln die Wirtschaft kaputt machen können.

 

Zur Person

Die 38-jährige Ökonomin und Nationalrätin lebt mit ihrem Partner Thomas Christen (36), dem 13-jährigen Sohn Julian, dem kleinen Hund Barry und Kater Mikesch in Bern. Zur Familie gehören auch Grosseltern, Geschwister sowie Freundinnen und Freunde. Seit 1999 vertritt sie die Berner Bevölkerung im Nationalrat. Sie engagiert sich in der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie und in der Finanzkommission. Seit 2006 ist sie Fraktionspräsidentin der SP im Bundeshaus.

 

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